Über das Mitgemeintsein in der Sprache
Es überrascht mich immer wieder, wenn ich es lese oder höre: dieses Phänomen, dass eine lange Passage über von „man“ die Rede ist und es offenbar um alle Menschen geht. Der Leser/die Leserin sind angesprochen, neutral, aus der Sprache ist keine Filterung erkennbar. Und plötzlich heißt es, dass „man seiner Frau ja auch nicht alles sagt“. Beispielsweise. Das meine ich mit: „Der Mensch und sein Weib“.
In mir gibt es eine aktive Feministin, der es Spaß macht, mich zu provozieren und die mich auch immer wieder auf Fallen aufmerksam macht. Wir diskutieren und lachen viel zusammen.
So also zum Thema der Überschrift.
Sprache kann nicht neutral sein. Inspiriert durch einen Artikel von Antje Schrupp kommt mir die folgende Idee:
- Ein Mensch. Dieser Mensch steht jeden Morgen um sieben Uhr auf, duscht, kleidet sich an, frühstückt in Ruhe, prüft kurz seine Erscheinung vor dem Garderobenspiegel, verlässt das Haus, zwängt sich in eine überfüllte U-Bahn, begrüßt im Büro die Kollegen und beginnt sein Tagwerk.
- Ein Mensch. Dieser Mensch steht jeden Morgen um sieben Uhr auf, duscht, rasiert sich den Bart, kleidet sich an, frühstückt in Ruhe, prüft kurz seine Erscheinung vor dem Garderobenspiegel, verlässt das Haus, zwängt sich in eine überfüllte U-Bahn, begrüßt im Büro die Kollegen und beginnt sein Tagwerk.
- Ein Mensch. Dieser Mensch steht jeden Morgen um sieben Uhr auf, duscht, kleidet sich an, frühstückt in Ruhe, bindet sich vor dem Garderobenspiegel ein Kopftuch um, verlässt das Haus, zwängt sich in eine überfüllte U-Bahn, begrüßt im Büro die Kollegen und beginnt sein Tagwerk.
- Ein Mensch. Dieser Mensch steht jeden Morgen um sieben Uhr auf, duscht, kleidet sich an, frühstückt in Ruhe, prüft kurz ihre Erscheinung vor dem Garderobenspiegel, verlässt das Haus, zwängt sich in eine überfüllte U-Bahn, begrüßt im Büro die Kolleginnen und beginnt ihr Tagwerk.
Viermal die gleiche Szene, viermal eine kleine Variation. In allen Fällen steuern kleine Änderungen im Text die Geschlechterassoziation in die eine oder andere Richtung. Oder eben nicht.
Neutral zu schreiben ist selten flüssig, meistens anstrengend und funktioniert nicht, wenn ich über Menschen und menschlichen Alltag schreibe. Wozu auch? Wenn ich mir klar mache, wen ich ansprechen will, kann ich das ja tun.
Ja, die einzelnen Begriffe können theoretisch geschlechtsneutralisiert werden. Besonders solange es um Gegenstände geht, ist das einfach. „Die Gabel“ und „der Löffel“ sind eben keine weiblichen und männlichen Gegenstände.
„Die Katze“ hingegen ist weiblichen Geschlechts. Mit etwas Mühe kann ich sie neutralisieren. Und ich kann auch von einer männlichen Katze sprechen. Das tut aber niemand (oder sehr selten), denn für diesen Fall haben wir ja den Kater.
Und doch: die Sprache steuert die Assoziation
Es sind nicht die einzelnen Begriffe, sondern der Geist, den den Text durchweht, wie ich mit den Beispielen oben zu zeigen versuche. Wenn ich einen Text geschlechtsneutral schreiben will, dann muss ich auch für alle schreiben. Es braucht zwischendurch Einstreuungen, die klar machen, dass ich an alle denke. Und dann kann es sehr leicht bis abenteuerlich werden und Spaß machen.
Ich verstehe die Linie, sich den weiblichen Sprachformen zu verweigern, weil dadurch bei den Lesenden Assoziationen erzeugt werden, um die es inhaltlich gar nicht geht. Die immer wieder vom Thema ablenken.
Das ändert nichts daran, dass das generische Maskulinum und das „Mitgemeintsein“ der Frauen eine Gewohnheit ist. Die Berichterstattung über die Frauen-Fußballweltmeisterschaft zeigt das beispielsweise. Zwei Gruppen aus elf Frauen plus Trainerin mal zwei plus Schiedsrichterin. Und konsequent ist die Rede von gegnerischen Mannschaften. Es ist erstaunlich, wieviele Spielerinnen in den Interviews über eben diese Mannschaften sprechen, statt über Teams, was immerhin neutral wäre. Denn Frauschaften gibt es nicht. Oder Wibschaften, wie in Gerd Brannenbergs Die Töchter Egalias. Übrigens ein Buch, das mir stellenweise durchaus Unbehagen verursacht, weil es so konsequent meine sprachlichen Gewohnheiten infrage stellt.
Nun denn, was also tun ohne sich das Hirn zu verrenken und das Schreiben und Lesen zu einer politisch korrekten Intellektualität zu machen?
Ganz einfach: kreativ werden und mit den Stilmitteln spielen! Und dabei entspannt bleiben! Aus dem diffusen „Mitgemeintsein“ Texte gestalten, die wirklich alle ansprechen. Am besten nebenbei. Die Lesenden spüren lassen, dass da jemand bewusst schreibt, für diejenigen schreibt, die er/sie im Kopf hat.
Und es stört mich, wenn von einer Frauengruppe die Rede ist, in der jeder was zum Essen mitbringt. Zum Beispiel. Ich würde auch darüber stolpern, wenn von einer Männergruppe die Rede wäre, in der jede was zum Essen mitbringt.
Geduld, Geduld…es werden hier bald noch ein paar Beispiele folgen.